Allergien – ein Phantom

Mein erster Allergietest ergab eine riesige Liste an Chemikalien, auf die ich allergisch bin. Lösungsmittel, Gummi, chemische Binder, Duftstoffe (auch natürliche) und so weiter. Praktisch jede Kleidung ist schwierig, da Kleidungsstücke konventioneller Herkunft praktisch alle mit Chemikalien ausgerüstet sind. Aber das ist nicht alles: jeder Stuhl, auf dem ich sitze, ist problematisch: Schaumstoffe dünsten aus, die Stoffe oder auch Lacke dünsten aus. Frisch renovierte Wohnung – können Sie vergessen. Bahn, Flugzeug? Kino, Supermarkt oder gar Krankenhäuser? Freundinnen mit Parfüm oder Freunde mit Rasierwasser? Die Antworten überlasse ich Ihrer Fantasie. Leider werden Menschen, die an dieser Chemikalienüberempfindlichkeit leiden, oft als psychisch krank abgestempelt. Unsere lieben Mitmenschen machen es sich wirklich leicht, während es für uns Betroffene ohnehin schon sehr schwierig ist, mit dieser Krankheit überhaupt ein halbwegs normales Leben zu führen. Denn den Chemikaliencocktails kann man außerhalb der eigenen vier Wände kaum entgehen.

Bei Nahrungsmittelallergien allerdings lässt sich Abhilfe schaffen – mit großer Konsequenz und einigen radikalen Änderungen. Schließlich muss der Mensch essen, um bei Kräften zu bleiben. Aber auch hier stößt man bei Mitmenschen und bei Ärzten oft auf Unverständnis und Misstrauen. So in dem Stil: „Ach, so ein bisschen, das kann ja nicht schaden.“ Doch! Es schadet! Und Wie!

Mein erster Allergietest ergab auch ein Überempfindlichkeit gegen Korbblütler, aber das allein konnte es nicht sein, also begab ich mich auf den Weg – und habe dabei eher meinen Ärzten aufs Pferd geholfen als diese mir.

Zum Beispiel Histaminintoleranz: Wegen meiner Hautekzeme war ich in Kur und hörte dort einen Vortrag darüber. Danach habe ich mich dann schlau gemacht und entdeckt, dass Histamine einer der Auslöser meiner Allergien ist.

Histaminintoleranz

Histamine sind in vielen Nahrungsmitteln enthalten. Je länger diese gelagert werden oder wenn sie gar fermentiert werden, entstehen Histamine. Beispiele sind gereifter Käse, Wein, Sauerkraut und Wurst oder Käse. Außerdem gibt es Nahrungsmittel, die in das in den Körperzellen gebundene Histamin freisetzen, zum Beispiel Tomaten oder Erdbeeren.

Die Histamine werden von einem Enzym im Verdauungstrakt aufgespalten. Fehlt dieses Enzym oder produziert der Körper zu wenig davon, gelangen die Histamine ins Blut. Dort können sie Allergiesymptome wie Heuschnupfen oder Ekzeme auslösen, aber auch Übelkeit und Magenübersäuerung.  Histamin-Intoleranz ist allerdings nicht wirklich als Krankheit anerkannt und wird von manchen Ärzten angezweifelt.

Meine Erfahrung ist: Je weniger Histamin ich aufnehme, desto besser geht es mir. Frisch geerntete Äpfel bekommen mir viel besser als gelagerte Äpfel – auch wenn Äpfel an sich wenig Histamine haben.

Essen als Giftcocktail?

Das war aber nur die erste Stufe für mich. Denn wie immer im Leben hängt alles miteinander zusammen, was aber sehr schwer zu erkennen ist. Mein weiterer Weg war schwierig, weil ich immer weniger Nahrungsmittel essen konnte: Immer wenn ich dann etwas gefunden habe, das ich vertragen habe und mir schmeckte, habe ich mehr davon gegessen. Ich habe erst viel später begriffen, dass ich damit mein Problem verschlimmert habe. Weil der Körper gegen alles, was ihm regelmäßig zugeführt wird, eine Überempfindlichkeit entwickelt.

Erst mit der Rotationsdiät haben sich mir neue Welten erschlossen. Mittlerweile kann ich wieder vieles essen – mit dem notwendigen Abstand zwischen den einzelnen Terminen. Das ist extrem aufwändig. Ohne eine eigene Küche in der Nähe kann ich praktisch nicht leben, da es auf jeden Inhaltsstoff ankommt. Ein normales Essen in einem Restaurant oder einer Kantine enthält eine wahren Cocktail an Inhaltsstoffen, auf die Sie nie kommen würden, das überfordert einen Allergiker völlig.

Was ist in einem normalen Mittagessen aus Frikadelle, Kartoffelmus und Erbsen? Die Frikadelle enthält Schweine- und Rindfleisch, Eier, Brötchen – also Weizenmehl und Hefen. Dann Pfeffer, Salz, Paprika und ein Bratfett. Wenn es damit genug ist, haben Sie schon eine super Qualität erwischt! Die Kartoffeln sind mit Milch, Butter und Muskatnuss zubereitet (oder aus der Tüte…), die Erbsen vielleicht in einer Brühe aus der Tüte gegart – dazu eine Soße, auch aus der Tüte, schön mit Geschmacksverstärkern, Zucker und Geschmacksstoffen der Sorte E irgendwas. Und dazu eine Cola – wer weiß schon, was da außer Zucker und Wasser so alles drin ist. Lecker…

Daher musste ich für mich selbst meinen eigenen Plan entwickeln. Mittlerweile gehe ich auch wieder mit Freunden aus zum Essen, allerdings nur in vertrauenswürdige Restaurants, die wirklich frische Produkte verwenden und sich an meine Anweisungen halten. Das klingt dann ungefähr so: „Ich hätte gerne den Fisch, aber bitte nur in Olivenöl angebraten und mit Salz gewürzt – Pfeffer kann auch, heute ist mein Pfeffertag. Als Beilage Kartoffeln ohne alles, vielleicht mit einem Schuss Olivenöl. Und bitte keinen Rosmarin, auch nicht im Öl“. Und dann kann ich mich auch mal bedienen lassen und es genießen, nicht kochen zu müssen.

Den Allergien auf der Spur

Welche Allergien tatsächlich vorliegen, kann mit einer Eliminationsdiät getestet werden. Die ist allerdings schwer durchzuhalten, weil jedes Nahrungsmittel einzeln ausprobiert werden muss. Besser ist eine Kombination aus einem klassischen Allergietest und dem sogenannten IgG-Test. Das ist ein Bluttest auf Allergien gegen Nahrungsmittel. Die Kassen zahlen die ersten zehn Nahrungsmittel, aber das reicht längst nicht aus. Ich habe insgesamt 270 Nahrungsmittel testen lassen und komme damit gut zurecht. Der Test kostet etwa 400 Euro. Für mich war das gut angelegtes Geld.

Die Nahrungsmittel werden in Klassen eingeteilt. Klasse 0 und 1 sind gut verträglich, die Klassen 2 bis 4 sind schon mit Vorsicht zu genießen, alle Lebensmittel der höheren Stufen sind verboten.

Eine Kombination mit einem klassischen Allergietest ist sinnvoll, da die Antikörper im Blut scheinbar verschwinden können, wenn man das jeweilige Nahrungsmittel lang nicht zu sich genommen hat. Bei mir war es so, dass der Allergietest eine Allergie gegen Korbblütler ergeben hat. Also sind normale Blattsalate und viele Kräuter und Gewürze wie Kamille und Distel- und Sonnenblumenöl tabu. Der IgG-Test ordnete aber Salate auf Stufe 3 ein. Weil ich sie praktisch zwei Jahre lang nicht gegessen hatte. Aber dafür waren sie immer noch auf Stufe 3!

Die Diagnose war für mich ein Schock. Kein Getreide, keine Milchprodukte, keine Eier mehr. Aber ich habe die Herausforderung angenommen. Das Kochbuch zeigt, dass es trotzdem geht und ich einen ganz neuen Bezug zu meiner Nahrung bekommen habe.

Kein Brot, keine Eier, keine Milch, was nun?

Brot gehört nicht nur in Deutschland zu den Grundnahrungsmitteln. Ohne Brot auszukommen, ist denn auch eine echte Herausforderung. Ist es schon schwierig für Gluten-Allergiker, Weizen und andere glutenhaltige Mehle zu meiden, wird es schlichtweg unmöglich, beim Bäcker einzukaufen, wenn man komplett auf Getreide verzichten muss. Auch Buchweizen, der ja nicht zu den Getreiden zählt, aber ein Gras ist, vertrage ich nicht. Nur Mais und Reis gehen – aber eingeschränkt. Und Brot backen lässt sich davon nicht.

Was bleibt dann noch übrig? Heute gibt es in Reformhäusern und Bioläden aber schon eine erstaunliche Menge an Produkten, die auf die klassischen Getreide und auf irgendwelche Zusatzstoffe verzichten. Zum Beispiel Maisknäcke oder Knäcke aus Kastanienmehl. Man muss sie nur finden. Es gibt auch Brötchen aus reinem Reismehl, allerdings mit Hefe. Die schmecken mir persönlich aber nicht besonders gut.

Kein Ei, keine Milchprodukte – wie geht das? Kuchen? Fehlanzeige. Frühstück ist das größte Problem, weil nichts mehr von dem geht, was ich früher immer genossen habe: Latte Macchiato, frische Brötchen mit Rührei – das ist Vergangenheit. Die Milch durch Sojaprodukte ersetzen? Geht nicht, da Sojaprodukte sehr viel Histamin enthalten.

HUNGER!!!!

Dadurch, dass mein Darm die aufgenommene Nahrung nur schlecht verwerten kann, ich aber kaum etwas essen konnte, habe ich anfangs phasenweise richtigen Hunger gelitten. Das kann sich keiner vorstellen, der es nicht erlebt hat. In rasender Geschwindigkeit fiel mein Gewicht auf einen Wert, von dem ich als junges Mädchen geträumt habe. So erzwungenermaßen ist das aber alles andere als schön!

Plötzlich war mir klar, dass ich ja auf die typische Sättigungsbeilage wie Brot oder Nudeln verzichte und kaum etws habe, womit ich das ersetzen kann. Mit der Rotationsdiät habe ich nun einen Vier-Tage-Rhythmus entwickelt, in dem in zumindest zwei Tage etwas esse, was ich gut vertragen kann,

Fleisch ist auch Gemüse – manchmal

Mein Essensalltag ist nichts für Vegetarier. Ich hatte sogar eine Phase, in der ich so gut wie kein Gemüse vertragen habe – dabei habe ich Gemüse in allen Formen immer geliebt. Und daher habe ich es richtig vermisst. Aber wenn es mir nach dem Essen schlecht wurde, dann habe ich zwangsweise verzichtet. Mittlerweile geht es – mit Hilfe von speziellen Hefen, die meinem Darm bei der Verdauung helfen.

Fleisch und Fisch sind bei mir fast durchgängig Stufe 0, ich vetrage sie also am besten. Trotzdem wechsle ich auch hier so viel wie möglich ab. Hier ist aber vor allem die Frische ausschlaggebend. Nordseekrabben zum Beispiel werden oft mit Konservierungsstoffen behandelt. Da ich in Hamburg lebe, habe ich auf meinem Markt einen Stand entdeckt, wo die Krabben praktisch frisch vom Kutter verkauft werden. Erstaunlicherweise bekommen mir Wild und Rind gut, die ja erst richtig abgehangen schmecken. Schweinefleisch vertrage ich nicht, ist also vom Speiseplan gestrichen.

Das ist allerdings von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Bei einer Freundin von mir, die ebenfalls Allergikerin ist, löst Fleisch massiven Heuschnupfen aus. In der Blütezeit verzichtet sie daher komplett auf tierische Eiweiße und ernährt sich vegan.